privatinsolvenz Privatinsolvenz | ©stevepb | @pixabay

Unternehmer können ebenso in Schulden geraten wie Privatpersonen auch. Werden die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu groß, gibt es oft nur noch einen Ausweg: das Insolvenzverfahren. Wenn sich Investitionen am Ende doch nicht auszahlen, größere Aufträge einfach wegbrechen oder Schulden sich ansammeln, geraten Unternehmen in die wirtschaftliche Schieflage. Handelt es sich dabei um eine juristische Person, also beispielsweise eine GmbH oder eine AG, dann muss der haftende Gesellschafter unverzüglich das Insolvenzverfahren eröffnen, wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt. Was ist dabei alles zu beachten? Wie kann ein Insolvenzverfahren der Weg aus den Schulden sein?

Wozu ist das Insolvenzverfahren gut?

Mithilfe eines Insolvenzverfahrens bekommen Schuldner die Gelegenheit, sich finanziell zu sanieren. Ist das Insolvenzverfahren abgeschlossen, folgen Entschuldung und Restschuldbefreiung. Damit erhalten beispielsweise Existenzgründer die Gelegenheit, einen Neuanfang zu wagen. Während des Insolvenzverfahrens erhalten die Gläubiger gemeinschaftlich Geld zurück und werden zu gleichen Teilen befriedigt. Damit bekommen Unternehmen, die überschuldet und zahlungsunfähig sind, die Möglichkeit zu überleben, wenn sie wirtschaftlich lebensfähig sind.

Restschuldbefreiung für redliche Schuldner – was ist zu tun?

Der erste Schritt auf dem Weg aus den Schulden ist der Versucht, mit den Gläubigern eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Gelingt dies nicht, versucht meist das Gericht zu einer einvernehmlichen Lösung mit den Gläubigern zu kommen. Erst wenn auch dieser Versuch scheitert, kommt es zum Insolvenzverfahren. In der Privatinsolvenz muss der Schuldner sein gesamtes pfändbares Vermögen und das pfändbare Einkommen verwerten lassen.

Nach diesem ersten Schritt folgt die sogenannte Wohlverhaltensphase, die normalerweise sechs Jahre gedauert hat. Seit 1. Oktober 2020 gilt eine neue Regelung, nach der die Wohlverhaltensphase auf drei Jahre verkürzt ist. In dieser Zeit muss der Schuldner sein gesamtes pfändbares Arbeitseinkommen oder das pfändbare Einkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit an einen Treuhänder zahlen. Der Treuhänder verwaltet dieses Geld und zahlt einmal im Jahr Geld an die Insolvenzgläubiger aus. Zunächst muss der Schuldner allerdings die Kosten des Verfahrens bezahlen und andere Masseverbindlichkeiten bedienen. Prozesskostenhilfe wird im Insolvenzfall nicht gewährt.

Die Pflichten des Schuldners in der Wohlverhaltensphase

Während der Wohlverhaltensphase muss der Schuldner einige Pflichten erfüllen. Beispielsweise muss er eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben. Ist er ohne Beschäftigung, ist es seine Pflicht, alles zu unternehmen um eine Beschäftigung zu finden. Zudem darf er zumutbare Tätigkeiten nicht ablehnen. Wenn der Schuldner während diese Zeit seinen Obliegenheit nachkommt und keine weiteren Gründe gegen die Restschuldbefreiung sprechen, erlässt das Insolvenzgericht ihm am Ende der Wohlverhaltensphase die restlichen Schulden.

Wie viel muss der Schuldner von seinem Einkommen abgeben?

Im Insolvenzverfahren gelten dieselben Pfändungsfreigrenzen wie bei einer Einzelzwangsvollstreckung. Hat der Schuldner keinerlei Unterhaltsverpflichtungen, muss er alles abgeben, was 1.1178,59 Euro übersteigt. Hat er Unterhaltsverpflichtungen, steigt die Freigrenze auf 1629,99 Euro für die erste unterhaltsberechtigte Person an. Sind es zwei unterhaltsberechtigte Personen, steigt die Freigrenze auf 1869,99 Euro.

Gewährt der Schuldner weiteren Personen Unterhalt, steigt die Freigrenze entsprechend an. Übersteigt das Einkommen diese wichtige Pfändungsfreigrenze, sind dennoch bestimmte Anteile unpfändbar. Erst wenn das Arbeitseinkommen 3163,08 Euro beträgt, dürfen die Gläubiger uneingeschränkt auf den übersteigenden Betrag zugreifen. Berechnungsgrundlage ist dabei jeweils das Nettoeinkommen.

Handelt es sich beim Grund für die Pfändung um den gesetzlichen Unterhaltsanspruch, gelten diese Grenzen nicht. Ist das der Fall, behält der Schuldner nur so viel, wie für seinen Unterhalt und die Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht notwendig ist.

Gilt die Restschuldbefreiung auch für Selbstständige?

Alle natürlichen Personen haben die Möglichkeit über ein Insolvenzverfahren die Restschuldbefreiung zu erlangen. Das gilt nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Selbstständige, die freiberuflich oder gewerblich tätig sind. Art und Umfang des Unternehmens spielen dabei keine Rolle.

Übt ein Unternehmer eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit aus und hat Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen oder mindestens 20 Gläubiger, darf er die Erleichterungen des Verbraucherinsolvenzverfahrens nicht in Anspruch nehmen. Für natürliche Personen gibt es über das Regelinsolvenzverfahren die Möglichkeit zur Restschuldbefreiung am Ende des Verfahrens. Eine juristische Person, also eine Stiftung, ein Verein, eine Personen- oder Kapitalgesellschaft, kann nicht von einem Regelinsolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung profitieren.

Wann ist es ratsam als Schuldner das Insolvenzverfahren zu beantragen?

Wenn die Schulden so hoch sind, dass sie das pfändbare Einkommen und das pfändbare Vermögen übersteigen, das der Schuldner schätzungsweise in den nächsten sechs Jahren erzielen wird, ist in jedem Fall das Insolvenzverfahren ratsam.

Damit sind zwar Beschränkungen verbunden, die allerdings nicht einschneidender sind als die Einzelzwangsvollstreckung. Allerdings gibt die Privatinsolvenz den Schuldnern Hoffnung. Am Ende des Verfahrens bekommen redliche Schuldner mit der Restschuldbefreiung die Möglichkeit für einen wirtschaftlichen Neuanfang.

Wie läuft das Insolvenzverfahren genau ab?

Als Erstes müssen die Betroffenen eine Schuldnerberatung oder einen Fachanwalt für Insolvenzrecht aufsuchen. Der erste Schritt ist dann das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren. Die Gläubiger erhalten alle Informationen zur Situation des Schuldners, um zu versuchen, eine außergerichtliche Lösung zu finden. Meist läuft das darauf hinaus, dass der Schuldner Ratenzahlungen anbietet. Gleichzeitig bittet er die Gläubiger, einen Teil der Schulden zu erlassen. Wenn alle Gläubiger damit einverstanden sind, kommt es nicht zu einem Insolvenzverfahren. Die Begleichung der Schulden erfolgt dann auf diesem Weg. Hierbei ist die Mitwirkung eines Anwalts oder der Schuldnerberatung notwendig.

Gerichtliches Insolvenzverfahren

Scheitert das außergerichtliche Verfahren, kann der Schuldner beim Insolvenzgereicht einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Wenn das Gericht Chancen auf ein gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren sieht, wird dieses Verfahren eröffnet. Ist das nicht der Fall, eröffnet das Gericht das Insolvenzverfahren.

Das Gericht bestimmt im gerichtlichen Insolvenzverfahren zunächst einen Insolvenzverwalter, der als Treuhänder die Aufgabe hat, Sach- und Vermögenswerte zu verwerten. Dazu gehört alles, was nicht lebensnotwendig ist und bei einer Zwangsvollstreckung pfändbar wäre, beispielsweise Boote, wertvolle Kunstgegenstände, Immobilien, Antiquitäten oder Luxusautos. Der Erlös aus der Verwertung geht an die Gläubiger.

Die Wohlverhaltensphase

Die Wohlverhaltensphase dauert normalerweise drei Jahre. Dabei sind einige Dinge zu beachten:

  • Die Betroffenen müssen einer bezahlten Arbeit nachgehen, es sei denn, sie haben bereits das gesetzliche Rentenalter erreicht oder sie sind aus gesundheitlichen Gründen nicht dazu in der Lage zu arbeiten. Arbeitslose müssen nachweisen, dass sie sich aktive um Arbeit bemühen. Dabei dürfen sie nicht allzu wählerisch sein.
  • Der Schuldner darf keine neuen Schulden machen.
  • Bei einer Erbschaft fällt die Hälfte des Wertes an den Treuhänder.
  • Geschenke oder Lottogewinne, die das übliche Maß übersteigen, gehen ebenfalls an den Treuhänder.
  • Der Treuhänder muss jederzeit über den aktuellen Wohnsitz und Arbeitgeber informiert sein.

Wenn sich die finanzielle Situation des Schuldners so verändert, dass er die Schulden vorzeitig zurückzahlen kann, beispielsweise durch eine Schenkung oder eine Erbschaft, ist es möglich, das Insolvenzverfahren durch Rückzahlung der Schulden vorzeitig zu beenden.

Die Restschuldbefreiung

Erfüllt der Schuldner alle seine Verpflichtungen während der Wohlverhaltensphase, kann das Gericht nach drei Jahren die Restschuldbefreiung erteilen. Der Betroffene gilt ab diesem Zeitpunkt als schuldenfrei, auch wenn es ihm nicht gelungen ist, alle Schulden zu tilgen. Einige Schulden fallen allerdings nicht unter diese Regelung. Dazu gehören Unterhaltsschulden oder Schulden aufgrund von Straftaten, für die der Schuldner rechtskräftig verurteilt ist, beispielsweise Steuerhinterziehung, Betrug oder Sachbeschädigung.

Welche Bedeutung kommt den Schuldnerberatungsstellen zu?

Die Schuldnerberatungsstellen klären die Schuldner über ihre Rechte und Pflichten auf. Außerdem unterstützen sie den Schuldner dabei, einen Überblick über das Ausmaß der Verschuldung zu erhalten und sich eine Übersicht über die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse zu verschaffen. Das ist wichtig, um die Verhandlungen mit den Gläubigern im außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren führen zu können. Wenn die Einigungsversuche scheitern, erhält der Schuldner eine entsprechende Bescheinigung. Diese reicht er beim Insolvenzgericht ein, um das Privatinsolvenzverfahren zu beantragen.

Eine verfahrenswirksame Bescheinigung dürfen nur geeignete Personen oder Beratungsstellen ausstellen. Dazu gibt es in den Bundesländern ganz feste Regelungen. Zu diesem Personenkreis gehören Anwälte, Notare, Steuerberater, Verbraucherzentralen und Schuldnerberatungsstellen von öffentlichen oder kirchlichen Trägern oder Wohlfahrtsverbänden. Die Beratung bei einer Beratungsstelle ist meist kostenfrei. Anwälte, Notare und Steuerberater verlangen meist ein Honorar. Hierzu erhalten Schuldner unter bestimmten Voraussetzungen Beratungshilfe vom Amtsgericht.

Warum veröffentlicht das Insolvenzgericht die Daten der Schuldner?

Einige Entscheidungen, die ein Insolvenzgericht trifft, sind nicht nur für den Schuldner von erheblicher Bedeutung, sondern auch für die Gläubiger. Unbekannte Verfahrensbeteiligte, beispielsweise vom Schuldner nicht benannte Gläubiger, können nur auf diese Weise vom Verfahren Kenntnis erlangen. Alle anderen Gläubiger können sich in den Online-Verzeichnissen jederzeit darüber informieren, wie es im Verfahren steht, auch wenn sie keine Informationen direkt vom Gericht erhalten. Deshalb ist die öffentlichen Bekanntmachung gesetzlich vorgeschrieben.

Die Veröffentlichung erfolgt zentral, länderübergreifend und online auf der staatlich betriebenen Seite www.insolvenzbekanntmachungen.de. Dort können Gläubiger Beschlüsse, Terminbestimmungen, Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung und weitere Informationen finden. Diese Veröffentlichungen bleiben bis längstens sechs Monate nach Aufhebung oder Einstellung des Verfahrens online.

Ist ein zweites Insolvenzverfahren nach einer Restschuldbefreiung möglich?

Die Restschuldbefreiung soll kein Freibrief sein, um sich anschließend wieder in Schulden zu stürzen. Der finanzielle Zusammenbruch soll dem Schuldner eine Lehre gewesen sein. Eine frühere Restschuldbefreiung muss mindestens elf Jahre zurückliegen, bevor ein Schuldner die Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens beantragen kann. Zudem dauert die Wohlverhaltensphase dann fünf Jahre und nicht drei Jahre.