insolvenz Insolvenz | © Nastuh Abootalebi | unsplash.com

Eine GmbH oder AG ist zahlungsunfähig oder überschuldet: Die Geschäftsführer und Vorstände sind jetzt einem Haftungsrisiko ausgesetzt, wenn sie in der Krise nicht sofort und richtig handeln. Doch wann genau tritt die Insolvenzreife ein?

Eintritt der Insolvenzreife

Mit der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Insolvenzordnung (InsO) oder Überschuldung gemäß § 19 InsO erreicht das Unternehmen die sog. „Insolvenzreife“. Sie ist eine Voraussetzung der Insolvenz und tritt unabhängig davon ein, ob der Unternehmer die Insolvenz angemeldet hat oder nicht.

Achtung: Wenn eine Insolvenz vom Unternehmer nicht anerkannt oder ignoriert wird, haften Geschäftsführer oder Vorstände persönlich, wenn sie nicht beweisen können, dass der Eintritt des Insolvenzfalls für sie nicht erkennbar war.

Gleichzeitig beginnt jetzt die Insolvenzantragsfrist. Das heißt: Der Geschäftsführer oder die Vorstände müssen spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen einen Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen.

Mit dem Eintritt der Insolvenzreife ist ihnen verboten, das Vermögen des Unternehmens noch anzutasten. Fällige Verbindlichkeiten dürfen nicht mehr getilgt und auch sonst keine Zahlungen geleistet werden – ansonsten tritt eine persönliche Haftung in voller Höhe der verbotenen Auszahlungen ein (§ 64 Satz 1 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG). Während der Insolvenzantragsfrist darf das Unternehmen auch keine neuen Verbindlichkeiten eingehen.

Insolvenzverschleppung ist strafbar

Mit dem Erreichen der Insolvenzreife beginnt eine Frist von drei Wochen für die Stellung des Insolvenzantrags. Wenn sich Geschäftsführer oder Vorstände über die Insolvenzreife bewusst waren und die Insolvenzantragsfrist überschreiten, handelt es sich um eine Insolvenzverschleppung.

Achtung: In Haftungsprozessen wird eine Kenntnis der Insolvenzreife in aller Regel von vornherein vermutet (BGH, Vers. Urt. v. 19. Juni 2012 − II ZR 243/11, NZG 2012, 940).

Die Insolvenzverschleppung in Deutschland birgt gleich zwei Risiken: Zum einen ist sie strafbar, zum anderen haften Geschäftsführer oder Vorstände persönlich, da sie die Schädigung ihrer Gläubiger billigend in Kauf genommen haben.

Tipps für Unternehmer

  • Der Geschäftsführer muss die finanzielle Lage der Gesellschaft stets beobachten. Sobald es Hinweise auf einen Insolvenzgrund gibt, ist er zur Überprüfung der Lage verpflichtet, d. h., der Buchhaltungsdaten.
  • Wenn ihm die notwendigen Kenntnisse zur Überprüfung des Vorliegens eines Insolvenzgrunds fehlen, muss er bei Anzeichen einer Krise eine neutrale, fachkundige Person damit beauftragen, die mögliche Insolvenz des Unternehmens zu prüfen (BGH, Urt. v. 27. März 2012 − II ZR 171/10, NZG 2012, 672, 673).
  • Ein Anwalt kann Geschäftsführern und Vorständen helfen, eine persönliche Haftung auszuschließen, Möglichkeiten aufzeigen, die das Insolvenzverfahren bietet, und ggf. bereits vor einer Insolvenz in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen ein Frühwarnsystem für Krisen einführen.
  • Während der Insolvenzantragsfrist von drei Wochen sollten Geschäftsführer und Vorstände die Ausgaben auf ein Minimum beschränken. Erlaubt ist die Zahlung des Arbeitnehmeranteils an den Sozialabgaben und die Lohnsteuer.
  • Darüber hinaus muss der Geschäftsführer seiner allgemeinen Sorgfaltspflicht nachkommen (§ 43 Abs. 1 GmbHG): Dazu gehört die Überprüfung, ob eine Sanierung der Gesellschaft möglich ist, und ggf. die Einleitung erster Sanierungsmaßnahmen.
  • Wenn ein Haftungsfall vorliegt, muss grundsätzlich der Insolvenzverwalter beweisen, wann die Insolvenzreife eingetreten ist und welche Auszahlungen danach noch erfolgten. Einwände gegen die Insolvenzreife müssen Geschäftsführer oder Vorstände hingegen vortragen und beweisen: Eine Dokumentation, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Insolvenz getroffen wurden, ist deshalb besonders wichtig!
  • Nach der Insolvenzeröffnung gehen sämtliche Buchhaltungsunterlagen vom Unternehmen an den Insolvenzverwalter – alle Daten sollten also so gesichert sein, dass Geschäftsführer oder Vorstände auch noch nach längerer Zeit eine Haftungsklage erwidern können.
  • Geschäftsführer und Vorstände sind am sichersten, wenn sie die Insolvenzreife rechtzeitig erkennen und den Insolvenzantrag so bald wie möglich innerhalb der gesetzlichen Frist stellen.